
[Bild KI generiert / Text © Anne Seltmann]
Es war einmal ein kleines Mädchen namens Tula. Sie lebte in
einem alten Kinderheim am Rand einer Stadt, wo im Winter der Schnee immer so
hoch lag, dass man fast darin versinken konnte. Die Wände im Heim waren kalt
und grau, und obwohl die Erzieher nett waren, fühlte sich Weihnachten für Tula immer
irgendwie leer an.
Im großen Saal stand ein kleiner Plastikbaum mit glitzernden
Kugeln, die jedes Jahr gleich aussahen. Unter dem Baum lagen ein paar
eingepackte Geschenke, aber Tula wusste, dass sie nichts davon wirklich
glücklich machen würde. Sie sehnte sich nach etwas anderem – nach jemandem, der
sie in den Arm nahm und sagte: "Schön, dass du da bist, Tula."
Am Heiligabend gab es Kartoffelsalat und Würstchen. Die
anderen Kinder lachten und tuschelten, aber Tula starrte nur in die flackernde
Kerze vor ihr. Sie dachte: Warum fühlt sich das alles nicht so an wie im
Fernsehen? Da sitzen Familien zusammen und lachen. Ich will das auch.
Später schlich sie sich hinaus in den Garten. Der Schnee
glitzerte im Mondlicht, und die Luft roch ganz frisch. Sie schaute in den
Himmel, wo die Sterne funkelten wie kleine Lichter. "Liebes Christkind",
flüsterte sie, "ich wünsch mir kein Spielzeug. Ich wünsch mir nur jemanden, der
mich liebhat."
Da hörte sie ein leises Winseln. Aus dem Dunkeln kam ein
kleiner Hund, ganz zitterig und mit einer roten Schleife um den Hals. Tula
hielt den Atem an. Vorsichtig streckte sie ihre Hand aus. Der Hund kam näher,
legte seine kalte Nase an ihre Finger und sah sie mit großen, runden Augen an.
"Na du?", flüsterte Tula "Bist du auch allein?" Der Hund
legte sich einfach auf ihre Füße, als würde er sagen: Nicht mehr.
Tula nahm ihn in den Arm. Sein Fell war warm, und sie
spürte, wie ihr Herz ganz ruhig wurde. Sie dachte: Vielleicht hat das
Christkind mich doch gehört.
Als die Heimleiterin sie später fand, saß Tula immer noch im
Schnee, den kleinen Hund fest umarmt. Die Frau lächelte und sagte leise: "Dann
seid ihr jetzt wohl zwei, die zueinander gehören."
Und so war es. Seit dieser Nacht fühlte sich Weihnachten für
Tula anders an – weich, warm und ein bisschen wie zuhause.
© Anne Seltmann