Ausgewählter Beitrag
Viele meiner langjährigen Leser*innen erinnern sich bestimmt, dass ich ein Heimkind war. Und da fängt meine Dankbarkeit schon an!
Denn ich hatte das Glück, dass mich Pflegeeltern zu sich nahmen und mir eine schöne Kindheit schenkten.
Diese Kindheitserinnerung schmeckt nach Rotkohl und Schokopudding (den gab es im Heim nicht und ich liebe beides noch wie wahnsinnig), die Kindheit fühlte sich warm und umsorgt an, ich habe vieles erleben dürfen, welche ich als damaliges Heimkind so nie erlebt hätte.
Für alle Erfahrungen, die ich ab da machen konnte, bin ich meinen (Pflege-) Eltern schlichtweg dankbar!
Allerdings gibt es auch immer wieder einen kleinen bitteren Nachgeschmack, wenn ich das Wort Dankbarkeit höre oder lese, weil meine Pflegemutter aber auch immer Dankbarkeit einforderte "Wehe ihr seid später mal nicht dankbar" höre ich sie da sagen. (Ich hatte noch drei Pflegegeschwister dazu) Leider lebt sie nicht mehr und ich habe nie gefragt, was sie sich denn darunter vorgestellt hat. Ich hatte immer den Eindruck, dass sie es ständig hören wollte, wie toll es doch ist, dass SIE uns alle aus dem Heim geholt hat. (Sie hat es auch jedem ungefragt erzählt, wenn wir unterwegs waren.)
Hätte ich immerzu danke sagen sollen? Das tat ich eh bei allem, immerhin hat sie uns so erzogen, dass man stets freundlich zu anderen Menschen ist und man sich für dieses oder jenes bedankt. Dankbarkeit kann man auch zeigen, indem man sich kümmert, aufmerksam seinem Gegenüber ist und ich wäre die Letzte gewesen, die sich später im Alter nicht um ihre Eltern gekümmert hätte. Ich hätte auch die fast 500 Km in Kauf dafür genommen!
Leider waren die Jahre mit meiner Mutter, als ich eine erwachsene Frau wurde, sehr sehr unschön. Sie war ständig im Klinsch mit mir und meinen Geschwistern. Darüber habe ich auch einmal einen Brief an sie verfasst, den man >> hier << nachlesen kann.
Ich habe ihr allerdings längst verziehen und schaue nur noch dankbar auf alles zurück. Und während ich das tue schmeckt es wieder nach Rotkohl und Schokoladenpudding.
Anne Seltmann 06.02.2024, 17.47
Liebe Anne,
wenn ich ehrlich bin, weiß ich gerade nicht so recht, wo und wie ich mit meinem Kommentar eigentlich anfangen soll. Ich meine, ich könnte ihn einfach weglassen und vorgeben, ich wäre gar nicht hier gewesen, aber würde das deinen Zeilen und deinem Mut gerecht werden? Nein! Und ja, ich empfinde es als mutig, solche Zeilen zu schreiben und zu sagen, bei mir war da vieles einfach auch nicht ok, nicht in Ordnung und nicht alles nur toll.
Man spürt in jedem deiner Worte, wie du bei dem Post kämpfst und in meinem Punkt erkenne ich mich sogar selbst wieder. Schwierig zwischen meinen Eltern und mir wurde es, als ich vom Kind zum Teenager und vom Teenager zum jungen Erwachsenen wurde. Ich hatte viele Spannungen mit meiner Mama und auch mein Papa war an vielen Tagen äußerst unberechenbar. Ein griechisches Temperament funktioniert und greift leider nicht nur in guten Zeiten.
Den Brief an deine Mama habe ich auch gelesen und er schockiert im ersten Moment. Aber er bringt auch alles auf den Punkt, zeigt, was dich belastet und was noch immer in dir arbeitet. Gut also, dass du ihn geschrieben hast, denn ich denke, er wird dir helfen und darum geht es ja schließlich am Ende auch.
Wenn du mir erlaubst, drücke ich dich aus der Ferne einfach mal! Hab Dank für deine so emotionalen, intimen, aber auch intensiven Zeilen, mit denen du mich sehr berührt und bewegt hast.
Liebe Grüße,
Giannis
vom 08.02.2024, 12.59