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Himmelsblick N° #12



 N° #12



 Möwenflug

 

Möwen sah um einen Felsen kreisen

Ich in unermüdlich gleichen Gleisen,

Auf gespannter Schwinge schweben bleibend,

Eine schimmernd weiße Bahn beschreibend,

Und zugleich im grünen Meeresspiegel

Sah ich um dieselben Felsenspitzen

Eine helle Jagd gestreckter Flügel

Unermüdlich durch die Tiefe blitzen.

Und der Spiegel hatte solche Klarheit,

Dass sich anders nicht die Flügel hoben

Tief im Meer, als hoch in Lüften oben,

Dass sich völlig glichen Trug und Wahrheit.

 

Allgemach beschlich es mich wie Grauen,

Schein und Wesen so verwandt zu schauen,

Und ich fragte mich, am Strand verharrend,

Ins gespenstische Geflatter starrend:

Und du selber? Bist du ächt beflügelt?

Oder nur gemalt und abgespiegelt?

Gaukelst du im Kreis mit Fabeldingen?

Oder hast du Blut in deinen Schwingen?

 

 ~*~

Conrad Ferdinand Meyer

1882







Anne Seltmann 04.07.2021, 05.50

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Kommentare zu diesem Beitrag

4. von Heidi R.

Die Bilder entstehen im Kopf und der kann sich irren - ein sehr schönes Gedicht.
Herrlich auch die Wolke hinter der Möve, die nach Höherem strebt!
LG Heidi sonne

vom 08.07.2021, 13.40
3. von Elke

Liebe Anne,
es hat mich am Ende überrascht, dass dieses Gedicht aus dem 19. Jahrhundert stammt. Gut, bei "ächt" habe ich gestutzt, aber sonst kam ist mir recht modern vor. Und gefällt mir. Ein schöner Himmelsblick mit Möwe.
Herzliche Grüße – Elke


vom 04.07.2021, 20.44
2. von niwibo

Ein schöner Himmelsblick mit den zarten Wolkenschleiern und der davon fliegenden Möwe.
Warte, ich fliege ein Stück mit.
Dir einen schönen Abend, lieben Gruß
Nicole

vom 04.07.2021, 19.40
1. von Kaeferchen

Frei sein wie die Möwe..... das muss schön sein

lg gabi

vom 04.07.2021, 16.31